Ulligunde zwischen Gipfelrausch und Höhenflügen
Auf wie viele Arten man als leidenschaftliche Bergsportlerin die Natur genießen kann, zeigt uns Ulligunde, Bloggerin und Fotografin aus dem Allgäu. Ob bergsteigend, kletternd, skifahrend oder sogar fliegend, eins steht immer im Mittelpunkt: der Berg! Doch im Gebirge unterwegs sein, heißt auch, eigene Grenzen auszutesten, gegebenenfalls zu verschieben und ganz wichtig: auf sie zu hören! Was es bedeutet, als Frau die Berge zu erklimmen, Extremsituationen zu meistern und zu sich selbst zu stehen, verrät uns heute Erika alias Ulligunde im Interview:
Als absolut leidenschaftliche Bergsportlerin hast du schon auf die verschiedensten Arten die Bergwelt entdeckt. Vom anfänglichen Fokus auf Hochtouren und alpinen Klettereien hin zu Biken und Gleitschirmfliegen. Wie kam dieser Wandel?
Der Wandel kam in Schritten. Ich habe ganz klassisch im Studium mit Trekking, Wandern und Hallenklettern begonnen, später kamen Hochtouren dazu und irgendwann das Alpin- und Eisklettern – das hat mich einfach von jeher extrem gereizt. Ich hatte allerdings immer ein Thema mit der Angst. Eine Zeit lang hatte ich die Motivation, mich ihr zu stellen und mit ihr zu arbeiten. Das hat zu einem gewissen Maß gut funktioniert, aber so richtig weg war sie nie.
Vor wenigen Jahren kam das Gleitschirmfliegen und später das Bikepacking dazu - und gleichzeitig bin ich weg vom Alpinklettern hin zum anspruchsvollen Bergsteigen gewechselt. Abgesehen von der schieren Schönheit hochalpiner Sonnenaufgänge habe ich es enorm genossen, routiniert, effizient und eigenständig solche Touren gehen zu können. Ich hatte unzählige Momente des absoluten Flows und das Gefühl, auf eine Weise „angekommen” zu sein, zum Beispiel beim Aufstieg des Doldenhorns.
Bis zu dem Tag vor zwei Jahren am Schreckhorn, an dem vor meinen Augen meine beste Bergpartnerin tödlich verunglückte. Nach einer ziemlich langen Trauerphase, in der ich rein gar nichts gemacht habe, hat mich mein Gleitschirm zurück ins Leben gebracht. Und ja, seit Kurzem klettere ich auch wieder.
Was die Berichterstattung deiner Abenteuer so besonders macht, ist die Authentizität: nicht nur Fakten, sondern auch Gefühle stehen im Fokus deiner Blogbeiträge. Welches Bergabenteuer war für dich am einschneidensten?
Für vielen Menschen ist es eine Überwindung, mit neuen Sportarten anzufangen. Wie meisterst du das und was bringen die neuen Anfänge mit sich?
Ich liebe einfach Veränderungen und das Neue. Man lernt sich selbst ja auch wieder neu kennen. Speziell beim Gleitschirmfliegen wird man als erwachsener Mensch in die ungewohnte Situation gebracht, absoluter Anfänger zu sein - beim Fliegen ist man wortwörtlich anfangs mit einfach allem vollkommen überfordert. Eine schöne Übung in Demut!
Bei dieser Tour gelangen wir vom idyllischen Hintersteiner Tal hinauf zu den Höhen der Allgäuer Bergwelt mit dem berühmten Nebelhorn.
Aber natürlich ist die Lernkurve auch extrem steil - was wiederum ein geniales Gefühl gibt. Wenn man dann die Heimat und das Nebelhorn oder andere hohe Berge noch dazu von oben sehen kann, ist das schon sehr magisch!
Wie gehst du mit dem Thema Angst und Extremsituationen um und was hast du aus deinen Erfahrungen gelernt?
Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass ich primär Angst vor der Angst habe - also eine Angst, die zu dem Zeitpunkt noch völlig unbegründet ist. Ich habe gelernt, hinzuhören und zu erkennen, welche Angst gerade in mir ist und ob sie mir überhaupt etwas sagen will, denn dieses katastrophisierende Gedankenkarussel entspricht nicht der Realität. Leider ist das Gefühl mit diesem Erkennen nicht ausgeschaltet - aber auch das kann man trainieren.
Auf der anderen Seite weiß ich persönlich inzwischen, dass ich in echten Extremsituation absolut rational und völlig ruhig funktioniere, was die Angst vor der Angst umso irrationaler macht. Man fühlt sich da ziemlich schnell unzulänglich, weil man den Eindruck hat, dass man der einzige Mensch ist, der damit kämpft. Das stimmt aber nicht - das merkt man spätestens, wenn man als Frau nur mit Frauen unterwegs ist. Angst ist völlig normal. Zu verstehen, vor was genau man sich wann fürchtet, ist allerdings Gold wert.
Woher kommt eigentlich deine Leidenschaft für die Berge? Warst du als Kind schon viel in der Natur unterwegs?
Du hast aus deiner Leidenschaft Beruf gemacht. Nach deiner Arbeit bei Outdooractive hast du dich als Künstlerin selbstständig gemacht und nimmst eigene Podcasts auf. Hast du dadurch dein Hobby zum Teil verloren oder wirst du dadurch nur mehr bereichert?
Wenn man das Hobby zum Beruf macht, geht zwangsläufig etwas davon verloren - man kann sich aber damit trösten, dass man hin und wieder fürs Bergsteigen und Draußensein bezahlt wird - und etwas zu mosern gibt es sowieso in jedem Beruf. Dass ich inzwischen durch den Podcast so viele besondere Menschen nicht nur kennen lernen, sondern mich ganz in Ruhe mit ihnen unterhalten darf, das ist schon ein riesiges Geschenk. Genauso wie die Tatsache, dass ich mit meinen Bildern und Zeichnungen Geld verdienen kann. Ich bin sehr dankbar für dieses Leben, auch wenn es natürlich auch belastende Momente in einer Selbstständigkeit gibt.
Was haben dich die Berge gelehrt?
Vor allem: Einfach mal machen! Wir Menschen sind Könige darin, Dinge zu zerdenken oder uns in Worst-Case-Gedanken zu verstricken. Macht man aber einfach mal den ersten Schritt (mit einer vernünftigen Grundplanung und Know-How natürlich), kommt es allermeistens gut! Sowohl bei einer Seillänge, die von unten schwierig aussieht, als auch ein Gipfel, der weit entfernt wirkt. Ich habe das jetzt auf meiner dreiwöchigen Radreise durch Schottland wieder gemerkt: Wie oft Menschen mich mit großen Augen anschauten und mir sagten, wie mutig das sei. Ich frage da immer, wovor sie sich konkret fürchten würden? Meistens werden dann Dinge genannt, die extrem unwahrscheinlich sind. Häufig gründen sie auf Ängsten, die in der Kindheit geschürt wurden. Natürlich treffe ich gewisse Sicherheitsvorkehrungen, aber ich vertraue auch ein Stück weit einfach ins Leben. Wie gesagt, es kommt meistens gut. Und wenn nicht, dann nehme ich das Leben so, wie es kommt. Ich habe jedenfalls in einer Seitenstraße von Glasgow mehr Angst, als in meinem Zelt, das 30 Kilometer entfernt an einem abgelegenen See steht.
Was die Berge mir ansonsten gelehrt haben: Das Selbstbewusstsein, viel mehr zu können, als man meint. Das starke Band zu lieben, das zwischen Menschen entsteht, wenn man vollkommen echte Emotionen miteinander durchlebt. Die Erkenntnis, wie schnell es rum sein kann - und damit einerseits wie schmerzhaft dieses Spiel sein kann, das wir in den Bergen spielen und andererseits, wie wunderschön jeder Tag mit gesundem Körper, in freudvoller Stimmung und mit positiven Menschen ist.
Du fokussierst in deinen Beiträgen immer wieder das Thema: Frauen in den Bergen. Was ist bei Frauen im Bergsport denn so anders als bei Männern?
Wie geht die Reise weiter? Schon die nächsten großen Abenteuer geplant?
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Bei dieser Tour gelangen wir vom idyllischen Hintersteiner Tal hinauf zu den Höhen der Allgäuer Bergwelt mit dem berühmten Nebelhorn.
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