Gefahren beim Alpinklettern
Ein Beispiel
Wenn jemand trotz akuter Gewitterwarnung in eine Wand einsteigt, dann hat er sich durch seine subjektive Entscheidung „vorsätzlich“ der objektiven Gefahr des Gewitters ausgesetzt. Durch eine gute Planung, die das Studieren des Wetterberichtes beinhaltet, hätte sich die objektive Gefahr des Gewitters von vornherein ausschließen können. Natürlich kann es auch Faktoren geben, die man subjektiv nicht beeinflussen kann. Gämsen könnten beispielsweise unerwartet Steinschlag auslösen. Beim Alpinklettern bleibt meist immer ein gewisses Restrisiko vorhanden. Man kann dies gewissermaßen auch mit dem Einsteigen in ein Auto vergleichen, da man sich beim Autofahren auch der möglichen Gefahr eines Unfalls aussetzt. Gerade im alpinen Gelände ist der Mensch aber noch mehr gefordert, die richtigen Entscheidungen und Vorsorgungen zu treffen. Im Folgenden werden zunächst die objektiven Gefahren mit den Hauptgruppen Wetter, Steinschlag, Eisschlag und Lawinen näher erläutert. Anschließend wird näher auf die subjektiven Gefahren wie die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, etc. eingegangen.
Objektive Gefahren
Wetter
Das Bergwetter spielt beim Alpinklettern eine äußerst wichtige Rolle. Gerade Gewitter und Unwetter können Seilschaften rasch in Gefahr bringen. Blitzschlag, Nässe, Kälte und Wind sind Wetterelemente, die sehr schnell gefährlich werden. Berge bilden eine Barriere, an welcher sich Wolken aufstauen, auftürmen und anschließend abregnen. Gewitter im Gebirge gehen daher meist schneller und heftiger vonstatten als im Flachland. Im Folgenden gibt es ein paar Tipps wie man sich bezüglich des Wetters am besten auf eine Alpinklettertour vorbereitet und wie man sich im Falle eines Gewitters im Gelände verhält.
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Tipps:
- Vorab genaue Wetterprognosen einholen und studieren (eher defensiv agieren und Tour ggf. umplanen, wenn die Bedingungen nicht günstig sind)
- Vor Ort Wetter beobachten und mit der Prognose abgleichen, ob sich beispielsweise vermehrt Quellwolken bilden (Achtung in Ostwänden: Dort kann man heranziehende Gewitterwolken, die meist aus Westen aufsteigen, zu spät oder gar nicht beobachten.)
- Sind bereits ambusförmige Gewitterwolken (Cumulonimbus) nahe und besteht die Möglichkeit sicher und schnell abzuseilen, dann sollte man lieber abseilen als weiter nach oben zu klettern.
- Beim Gewitter sollte man exponierte Stellen wie Gipfel und Grate schnell, aber trotzdem sicher verlassen.
- Das Surren von Metallgegenständen oder aufgestellte Haare am Körper weisen auf eine elektrostatische Ladung in der Luft hin. Hier ist erhöhte Vorsicht geboten. Sämtliche Metallgegenstände wie Expressschlingen, Karabiner, etc. sollte man weit weglegen, sich einen Platz in einer Mulde oder großen Höhle mit genügend Abstand zu Wänden und zum Eingang suchen und sich mit geschlossenen Beinen in Kauerstellung auf den Rucksack und/oder das Seil setzen. Allgemein sollte man Felskontakt vermeiden. Der Kontakt zum Boden sollte auch so gering wie möglich gehalten werden, denn dann ist die Gefahr von Kriechströmen am geringsten. Kriechstrom ist das elektrische Spannungsgefälle zwischen zwei Punkten, bei denen einer näher an der Einschlagstelle liegt. Hinlegen ist daher keine Lösung, denn die Spannung nimmt durch die Größe der Kontaktfläche und dem Abstand der Kontaktpunkte zu. Kleine Nischen oder Überhänge auf Bändern sollten wegen möglicher Kriechströme auch eher gemieden werden.
- Wenn man dort dann einige Zeit ausharren muss, sollte man darauf achten, dass man es warm hat und nicht auskühlt (Isolationsjacke und Hardshelljacke, ggf. Biwaksack). Auch bei schönem Wetter sollte man diese Bekleidungsstücke immer mit im Rucksack haben, da sich das Wetter in den Bergen abrupt ändern kann.
- Man sollte solange warten bis das Gewitter abgeklungen ist und nicht vorher absteigen.
Man unterscheidet zwei Gewitterarten, das Wärmegewitter und das Frontengewitter. Das Wärmegewitter tritt lokal auf und entsteht im Sommer durch die Erwärmung. Gerade in labiler Luft können Gewitterzellen sehr schnell entstehen. Der Wetterbericht kann daher in der Regel nur eine Wahrscheinlichkeit geben, wann und wo ein Gewitter auftreten wird. Durch die meist geringe Dauer kann man sofern man einen geschützten Ort gefunden hat, seine Tour nach dem Gewitter sogar meist wieder fortsetzen. Beim Klettern wird es aber dann eher schwierig, da der nasse Fels oder in Hochlagen ggf. sogar Schnee und Eis das Weiterklettern schwierig werden lassen.
Merkmale Wärmegewitter:
- Meist geringe Dauer zwischen 10 - 20 Minuten (kann aber auch zwischen 1 - 2 Stunden dauern)
- Keine oder wenig Taubildung in der Früh gilt als Alarmzeichen.
- Schwülwarme Luft und wenig Wind sind ebenfalls Alarmzeichen.
- Beachte: Wärmegewitter können auch bei stabilen Hochdrucklagen entstehen.
- Meist bilden sich bereits am Vormittag vermehrt Quellwolken. Daher sollte man die Wolken beobachten, ob sie sich zu einer Gewitterwolke (Cumulonimbus) entwickeln, die einem Amboss ähnelt.
- Blitzschlag und starker Regen
Das Frontengewitter ist ein Ganzjahresgewitter, welches entsteht, wenn zwei gegensätzliche Wetterfronten aufeinandertreffen und sich die Luftmassen untereinander schieben. Meist schieben sich die kalten Luftmassen der Kaltfront unter die wärmeren, bodennahen Luftmassen. Diese werden dann gezwungen aufzusteigen, wodurch starke Windgeschwindigkeiten entstehen. Der Name kommt daher, weil bei der Kaltfront die Kaltluft oft auf breiter „Front“ heranzieht. Anders als das Wärmegewitter lässt sich das Frontengewitter meist sogar stundengenau vorhersagen. Daher spielt der Faktor Mensch auch hier wieder eine entscheidende Rolle. Man sollte seine Tour daher so planen, dass man vor dem Eintreffen der Kaltfront bereits wieder im Tal ist. Ein Aussitzen in hohen Lagen macht bei einem Frontengewitter keinen Sinn, da nach dem Frontengewitter meist eine längere Wetterverschlechterung einhergeht.
Merkmale Frontengewitter:
- Eine dunkle Wolkenwand zieht aus Wetterrichtung auf.
- Temperatursturz und damit oft Schneefall auch im Sommer unter 2000 m
- Starker Wind
- Andauernder Regen und häufig Blitzschlag
- Meist längere Wetterverschlechterung
- Frontengewitter treten anders als Wärmegewitter nicht lokal auf, sondern erstrecken sich über größere Räume.
Video: ORTOVOX
Das Gewitter ist wohl die markanteste objektive Gefahr beim Alpinklettern. Daneben kann aber auch Nebel zum ernsthaften Problem werden. Befindet man sich auf ausgebauten und markierten Wanderwegen, stellt der Nebel zur weiteren Orientierung keine wirkliche Gefahr dar. Ist man jedoch im Zustieg zur Wand ohne Markierungen unterwegs, bereits in der Wand oder im Abstieg ohne Markierungen, so kann die schlechte Sicht sehr schnell gefährlich werden, da man ganz leicht die Orientierung verlieren kann. Dagegen ist Nebel in sehr gut abgesicherten Routen, in denen alle paar Meter ein Bohrhaken kommt, meist nicht so schlimm, da man sich an den vielen Bohrhaken orientieren kann. Wer sich jedoch in einer alpineren Route befindet, wo nur ab und zu ein Haken kommt, spielt die gute Sicht für die Wandorientierung eine entscheidende Rolle.
Neben Nebel können auch Temperaturschwankungen Kletterer in Schwierigkeiten bringen. Klettert man zunächst noch in einer sonnenbeschienenen Wand, die ab Mittag im Schatten liegt, kann das im Hochsommer erst einmal sehr angenehm sein. Hier ist darauf zu achten, dass man genügend trinkt und sich entsprechend mit Sonnencreme einschmiert, da die Sonne in zunehmender Höhe aggressiver wird. Mit dem Kletterhelm wird der Kopf vor der Sonne geschützt. In Wänden, in denen es durch fehlende Sonneneinstrahlung schnell kalt werden kann, besonders, wenn auch noch der Wind stark bläst (sogenannter Wind-Chill-Effekt), sollte man immer eine Isolationsjacke mit dabeihaben, um nicht auszukühlen. Dies kann gerade an Standplätzen notwendig sein, da man dort häufig einige Zeit mit nur wenig Bewegung verweilen muss.
Bei Abseilmanövern kann starker Wind auch dazu führen, dass die Seile beim Seilauswerfen oder Seilabziehen so vom Wind verblasen werden, dass sie sich irgendwo verhängen und man die Seile nicht mehr abziehen kann. Je nach individuellem Befinden kann starker Wind auch auf die Psyche schlagen, wenn der tosende Wind einem um die Ohren schlägt und man sich gerade in einer äußerst exponierten Kletterei befindet.
Ein weiterer Faktor, der eine Tour schnell deutlich anspruchsvoller oder gar unmöglich erscheinen lässt, ist Nässe. Nach anhaltenden Regenfällen trocknen gerade Kamine, Risse, Verschneidungen oder Wände mit vielen Grasterrassen, bewaldeten Bändern oder Latschenzonen nur langsam ab. So dauert die Abtrocknungszeit deutlich länger als in plattigen Wänden oder an exponierten Pfeilern. So kann Nässe eine Kletterpassage, die nicht umgangen werden kann, schnell zu einer unüberwindbaren Stelle werden lassen.
Noch schlimmer als Nässe ist Schnee oder Eis, da diese nur langsam vor sich hinschmelzen. Verschneite oder vereiste Kletterstellen sind daher meist noch deutlich anspruchsvoller und benötigen dann entweder eine zusätzliche Ausrüstung (Eisgeräte, Steigeisen) oder müssen im trockenen und schwierigeren Fels umgangen werden.
Steinschlag
Steinschlag wird durch starken Wind, Schmelzwasser, vorauskletternde Seilschaften oder Tieren wie Gämsen oder Steinböcke ausgelöst. Am häufigsten werden Steine durch die zwei letzt genannten Faktoren, also äußere Einflüsse, ausgelöst. Die Gesteinsqualität spielt dabei eine wichtige Rolle, denn sie kann das Problem vergrößern oder verringern. Häufig kann man in der Wand oder in der Umgebung sehen, ob es dort häufig zu Steinschlag kommt. Helle Einschlags- oder Ausbruchsspuren, beschädigte Bäume, frische Felsbrocken am Wandfuß sind Steinschlagzeugen und sollten zu erhöhter Vorsicht aufrufen. Oft wird auch in Kletterführern extra darauf hingewiesen. Weiß man, dass eine Route besonders steinschlaggefährdet ist und befindet sich bereits eine Seilschaft in der Wand, sollte man die Route lieber meiden und in eine andere, unbesetzte Route einsteigen.
Tipps:
- Beim Alpinklettern immer einen Steinschlaghelm tragen.
- Wenn man das Geräusch fallender Steine vernimmt, nicht noch extra nach oben schauen, sondern sich sofort nahe an die Wand, am besten unter einen Felsvorsprung oder Überhang bewegen und dort ausharren, bis keine Geräusche mehr zu vernehmen sind.
- Ist man als Seilschaft alleine in der Wand unterwegs, besteht die Gefahr von Steinschlag dann vor allem für den Nachsteiger. Daher sollte der Vorsteiger den Standplatz wenn möglich so wählen, dass der Nachsteiger nicht direkt in der Schusslinie klettert, gerade wenn man in Kaminen oder Rinnen mit viel losem Gestein unterwegs ist.
Durch die dem Klimawandel geschuldete Erhöhung der durchschnittlichen Jahrestemperatur wird die Gefahr von Steinschlag- und Felssturzereignissen in den Alpen zunehmen. Kletterer müssen sich dessen bewusst sein. Durch das Auftauen des Permafrostes verliert der Fels an Stabilität und es wird vermehrt zu solch Ereignissen kommen. Etwas Trost gibt es jedoch. Forscherteams überwachen häufig gefährdete Bereiche mit Seismometern um Ereignisse hervorzusagen und die Ursachen herauszufinden.
Video: WELT Nachrichtensender
Eisschlag und Lawinen
Eisschlag spielt vor allem beim Eisklettern eine große Rolle, kann aber auch nach Gewittern beim Alpinklettern eine Rolle spielen. Eisschlag wird vor allem durch Wärmeeinfluss und andere Kletterer ausgelöst. Beides lässt sich wie andere objektive Gefahren durch eine gute Planung und Taktik vermeiden. Standplätze sollten daher so gewählt werden, dass der Nachsteiger nicht in der Schusslinie ist. Außerdem sollte man nur bei möglichst sicheren und kalten Verhältnissen einsteigen.
Lawinen können nicht nur für Skitourengeher gefährlich sein, sondern auch für Alpinkletterer, gerade wenn sie im Frühjahr unterwegs sind.
Foto: Isabellamori1510, CC BY-SA, www.wikimediacommons.de
Subjektive Gefahren
Die subjektiven Gefahren entstehen durch den Menschen selbst. Dazu gehören fehlende Erfahrung, unzureichendes Können und Unwissenheit, mangelnde Kondition, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und wenn Situationen fehlerhaft eingeschätzt werden. Die subjektiven Gefahren sind damit die Nummer eins der Unfallursachen im Gebirge. Daher sollte man in den Bergen lieber defensiv unterwegs sein, umsichtig sein und folgende Tipps beachten, um Gefahren zu minimieren.
Tipps:
- Nicht an seine Grenzen gehen, sondern dem geforderten Schwierigkeitsgrad überlegen sein.
- Nur in eine Tour einsteigen, wenn man sich gesund und fit fühlt.
- Bei noch wenig Erfahrung sollte man lieber mit einem erfahrenen Seilpartner mitgehen.
- Eine gute Ausbildung rund um das Thema Alpinklettern ist elementar, um sicher unterwegs zu sein. Bergschulen und Alpenvereine bieten viele Kurse zum Alpinklettern an.
- Sicherheit hat die oberste Priorität, daher auch in Stresssituationen ruhig bleiben und nicht unüberlegt handeln.
- Durch eine gute Planung und Vorbereitung kann man dafür sorgen, dass man seine Fähigkeiten nicht überschätzt, indem man eben genau weiß, was einen beispielsweise an Kletterschwierigkeiten und beim Zustieg und Abstieg erwartet. Wenn man weiß, was auf einen zukommt und in möglichen Stresssituationen ruhig bleibt, kann man vermeiden, unüberlegte oder gar falsche Entscheidungen zu treffen.
- Die Ausrüstung muss der Tour angemessen und funktionsfähig sein. Können zeigt sich im richtigen Umgang mit der Ausrüstung und in der Beschränkung auf das Notwendigste. Wer sich mit allem nur Erdenklichen bepackt, wird schnell merken, dass sein Rucksack schwerer ist als die Tour selbst.