Stefan Stadler: Schwindelfrei und trittsicher - unterwegs auf den Nadeln der Welt
Stefan hat eine außergewöhnliche Leidenschaft: Er liebt es, auf Kalk-, Sandstein- und Granitnadeln zu klettern. Die Einsamkeit und Ausgesetztheit machen ihn einfach glücklich. Aber nicht nur die Kletterei, sondern auch Skitouren an ungewöhnlichen Orten, wie zum Beispiel auf Korsika, faszinieren Stefan und sorgen für viel Gesprächsstoff und aufregende Bilder. Natürlich bergen solche Begehungen aber auch ihre Risiken. Wie Stefan damit umgeht, was ihn antreibt und warum es ausgerechnet diese Türme sind, die ihn faszinieren, erfahrt ihr im folgenden Interview. Das Beste daran ist, dass Stefan auch ganz viele Touren auf seinem Profil bei uns hat, die er schon begangen ist. Viel Spaß beim stöbern!
Steilheit, Exponiertheit, Abgeschiedenheit? Wie hast du zum Klettern gefunden? Und warum Türme? Wie kamst du darauf, all diese vertikalen Nadeln zu erklimmen?
Also zunächst habe ich tatsächlich durch die Bundeswehr in Bad Reichenhall im Hochgebirgszug zum Klettern gefunden. Da bin ich damals gerade so reingestolpert. Ich war 22 Jahre alt. Mit 30 bin ich eigentlich aber erst richtig durchgestartet. Totaler Spätzünder, aber macht ja nix. Spaß machts trotzdem!
Und die Türme: Das war wirklich ein totaler Zufall. Vor über 10 Jahren sind wir im September nach Chamonix gefahren und hatten tolle Touren im Hochgebirge geplant. Aber dann hat es plötzlich so sehr geschneit, dass unsere Klettertouren da oben nicht mehr möglich waren. Dann sind wir erstmal in einem niedriger gelegenem Klettergarten geklettert und sind daraufhin zu der Aiguillette de Argentiere. Das war so toll! Klettergartenähnlich, aber halt doch was anderes an so einer spitzen Nadel zu klettern und dann ausgesetzt da oben zu stehen. Das hat auch einfach was hergemacht. Als ich mir dann auch die Bilder angeschaut habe… das sah einfach toll aus. Ja und so ist es dazu gekommen. Seitdem habe ich mich auf die Suche nach Türmen begeben. Einen Gipfel zu erreichen, auf den es sonst keinen anderen Zugang gibt, das ist einfach zufriedenstellend. Diese Einsamkeit auf den spitzen Nadeln, das ist schlichtweg was anderes, als sich mit 50 anderen Leuten um ein Gipfelkreuz zu scharen. So zum Beispiel auch in Finale Ligure zu den Tres Frati. Toller Fels, tolle Bilder, tolles Wetter und tolle Gesellschaft und natürlich auch eine sehr lustige Form...
Die Tre Frati sind nicht nur schön anzusehen, sondern bieten auch schöne Sportkletterrouten. Die Mehrzahl der Routen sind mit Edelstahl-Klebehaken ...
Die Klettertouren auf die Aiguillette de Argentiere (1.893 m) sind ausreichend mit Bohrhaken abgesichert und beginnen im Schwierigkeitsgrad 4c.
Schwindel oder doch mal ein mulmiges Gefühl - sind das alte Bekannte in deinem Kletterleben?
Eigentlich bin ich da relativ abgehärtet. Es ist für mich einfach typisch, wenn ich im Vorstieg klettere, dass mein Kopf ganz leer ist. Nur ich und der Fels und die Linie, alles andere ist einfach weg. Du fokussierst dich nur auf die Bewegungen und den nächsten Tritt, den nächsten Griff, die nächste Sicherung. Und wenn ich da so fokussiert bin, ist mir die Ausgesetztheit wirklich ziemlich egal. Da bin ich relativ entspannt. Natürlich, ab und zu denkt man sich schon: „Boah wo bin ich da denn wieder?! Da gehts ja überall runter!" Wie zum Beispiel auch auf dem Steinernen Jäger am Hochstaufen. Aber das ist eher schön und macht mir keine Angst.
Kraxeln, klettern, Grat-Touren, aber auch Skitouren, Hauptsache hoch hinaus (und sicher wieder runter). Wie bringst du denn all diese Hobbies unter einen Hut?
Also es ist so, dass mein Radius tatsächlich eher langsam kleiner wird und ich aus den Ostalpen eigentlich gar nicht mehr raus will - zumindest was meine Kletterei angeht. Da geht das auch mal entspannt am Wochenende. Berchtesgaden als Base zu haben ist natürlich dahingehend super praktisch! Aber auch die Sächsische Schweiz ist so derartig cool. Man muss dort aber genau wissen, was man macht (Knotenschlingen legen, Wegführung etc.) und auch seine Klettergrade erstmal sehr hinunterschrauben. Und wenn du das respektierst und damit kein Problem hast, dann kannst du richtig viel Spaß haben. So wie zum Beispiel der Schusterweg auf den Falkenstein.
Und was die Skitouren angeht, möchte ich meinen Radius dafür erweitern und in Europa neue Gebiete für mich entdecken. Einfach toll, wenn man in einer netten Gruppe Gleichgesinnter unterwegs ist. 10 Tage am Stück. Richtig remote im Hinterland, alles ist weg. Keine Aufgaben, keine anderen Bedürfnisse. Das macht es gerade für mich aus: Einfach weg sein. Keine Versicherungsbriefe, keine schmutzigen Kaffeetassen, nur wir und die Ski und die Landschaft. So gestalte ich mir gerade meine Freizeit und das fühlt sich gut an.
So ein Klimagedanke ist da auch mit dabei. Es sollte schon eine Relation zwischen Fahrt und Aufenthalt geben und ich habe mich jetzt einfach in dem Hinblick mehr auf die Skitouren fokussiert und mache das Klettern eigentlich nur noch bei mir daheim. Vor meiner Haustür in den Ostalpen.
Das klingt ja fast so, als wären die Skitouren nun auch deine große Leidenschaft? Du warst ja letzten Winter auf Korsika, auch eher ein außergewöhnlicher Ort für guten Schnee, oder?
Ja, Korsika war auch einfach spannend. Da gibts nicht viele Infos, da muss man schon gut planen und dann vor Ort gucken und gegebenenfalls anpassen. Vor allem bei der Schneesituation: Geht das überhaupt? In diesem Winter hatten wir aber total tollen Firn. Und das war schon ein ganz großer Augenblick, als wir den Monte Rotondo besteigen konnten. Die Momente, in denen man am Anfang nicht weiß, ob und wie das klappt und viel im Vorhinein plant und darauf hinzittert… und wenn man dann da ist und das geht sich wirklich aus, das sind schon wirklich die ganz großen Momente...
Also natürlich plane ich das schon alles akribisch, aber dadurch, dass es da nicht so ein dichtes Netz an Webcams gibt und man bei der Planung noch nicht vor Ort ist, ist das halt einfach alles ein bisschen mehr Abenteuer. Aber was für eine schöne Insel ist Korsika und was für ein tolles Erlebnis hatten wir!
Was war bisher dein einprägsamstes Erlebnis bei deinen Bergabenteuern?
Meine eindrucksvollste Klettertour war mit Abstand der Teufelsgrat in Chamonix. Dieser Fels, diese Landschaft und diese Exponiertheit und dann hatten wir auch einen Traumtag. Wenn man das machen darf auf 4.000 Metern über die Türme drüber und das bei Windstille und Wärme, das war definitiv die eindrucksvollste Klettertour für mich!
Bei Bergsportarten gibt es ja immer ein gewisses Restrisiko. Trotz guter Vorbereitung und Vorsicht, können Gefahren nie komplett ausgeschlossen werden. Bist du denn auch schonmal in eine blöde Situation gekommen? Wie bist du damit umgegangen, was hast du daraus gelernt?
Neben der »Badile Nordkante« und der »Fußstein Nordkante« die dritte berühmte Nordkante, die zu den schönsten Granitklettereien der Ostalpen zählt.
Diese Situationen kennen natürlich alle Bergbegeisterten, oder? Manche mehr, manche weniger intensiv. Zunächst vorab: Wenn es bei mir irgendeinen Vorfall gab, ist meine Herangehensweise als allererstes die Reflexion der Situation. Warum und wie bin ich in die Situation gekommen? Hätte ich das vermeiden können? Was muss ich in Zukunft anders machen, um nicht nochmal in so eine Situation zu kommen?
2018 musste ich mit einem Hubschrauber geborgen werden. Ich war am Grundschartner an der Nordkante unterwegs und die ist eigentlich sehr bekannt für ihren festen Fels. Und wie es der Teufel will, genau da ist mir ein Stein ausgebrochen. Zum Glück bin ich ins Seil gefallen, so ca. 8 Meter. Aber die Kniescheibe habe ich mir trotzdem gebrochen und eine klaffende Fleischwunde am Unterschenkel hatte ich auch. Danach hatte ich Zeit im Krankenhaus und auch bei der Reha um mir Gedanken zu machen: Warum macht man das überhaupt? Warum setzt man sich dem Risiko immer wieder aus? Ich habe erkannt, wie eng Glück und Pech beieinander liegen. Dass bei einer Tour, die bekannt ist für den super Fels, genau da ein Stein ausbricht... verrückt.
Aber ich hätte mich auch ganz anders verletzen können. Glück im Unglück. Und dann habe ich mir auch lange überlegt, warum habe ich das Ganze überhaupt überlebt? Und dann war auch klar, ja weil ich im Seil geklettert bin. Sonst wäre ich 50 Meter in die Blöcke geknallt. Und warum hatte ich ein Seil? Weil ich es so gemacht habe, wie es sich für mich gehört: Sicherheit zuerst. Es war im 4. Grad, da wäre manch anderer vielleicht frei gegangen. Und das habe ich mir auch als Lehre herausgezogen: Die Dinge so machen, wie sie gehören. Am Seil gehen, Helm tragen. Bei Skitouren die Sicherheitschecks und Lawinenausrüstung und Lawinenlagechecks.
So bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich das trotzdem weitermachen werde. Zu 100% hat man nie alles unter Kontrolle. Aber die Risiken kann man minimieren, so gut es geht. Die Kombination aus draußen in der Natur sein und die Freiheit zu genießen, die körperliche Betätigung, das macht für mich meine Bergabenteuer aus und das will ich nicht missen.
Wenn dich Stefans Interview inspiriert hat, dann schau dir doch mal seine ganzen Touren auf seinem Profil an! Hier ist für jeden bergbegeisterten Menschen viel Interessantes zu entdecken!
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Die Tre Frati sind nicht nur schön anzusehen, sondern bieten auch schöne Sportkletterrouten. Die Mehrzahl der Routen sind mit Edelstahl-Klebehaken ...
Die Klettertouren auf die Aiguillette de Argentiere (1.893 m) sind ausreichend mit Bohrhaken abgesichert und beginnen im Schwierigkeitsgrad 4c.
Die Arête du Diable (Teufelsgrat) ist eine der teuflischsten Grattouren am Mont Blanc und in den gesamten Alpen. Ehrlich!
Neben der »Badile Nordkante« und der »Fußstein Nordkante« die dritte berühmte Nordkante, die zu den schönsten Granitklettereien der Ostalpen zählt.
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